Samstag, 24. Januar 2009
 
Polen gegen Kaczynski-Brüder PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Stefan Meisterle   
Dienstag, 27. März 2007

In Polen regt sich der Widerstand gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck, der von den Kaczyński-Brüdern konsequent vorangetrieben wird. Pressekontrolle, Obskurantismus und mehr Patriotismus umfaßt das Programm der konservativen Zwillinge.

Knapp 12.000 Menschen kamen am 17. März in Warschau zusammen, um gegen die rechtspopulistische Regierung unter Premierminister Jarosław Kaczyński zu demonstrieren. Konkret richtete sich der Protest, an dem zahlreiche Lehrer teilnahmen, gegen die homophobe und minderheitenfeindliche Politik des Bildungsministers Roman Giertych. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Bildungsminister und Parteifreund Mirosław Orzechowski hatte Giertych als Parteichef der nationalkatholischen Liga Polnischer Familien (LPR) zuletzt mit dem angekündigten Gesetzesentwurf für Aufregung gesorgt, „homosexuelle Propaganda“ an polnischen Schulen unter Strafe zu stellen. Unter „Propaganda versteht der Minister auch Aufklärungsbroschüren. Bereits seit Monaten fordert er darüber hinaus die Einführung eines Schulfachs zur Patriotismuskunde und die Einbeziehung kreationistischer Inhalte in den Lehrplan. Wenngleich Giertych zweifellos im rechten Lager der Regierung zu verorten ist, so kann er jedoch in Fragen wie der Bekämpfung der Abtreibung oder der Wiedereinführung der Todesstrafe auch auf die uneingeschränkte Unterstützung des Premierministers Kaczyński zählen.

Staatsstreich der Kaczyński-Brüder

Während Giertychs polemische und polarisierende Äußerungen in Teilen der Wählerschaft durchaus auf Zustimmung treffen, hat Jarosław Kaczyński bereits seit der Wahl 2005, in der seine nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) den Sieg erringen konnte, mit Popularitätsproblemen zu kämpfen. Die polnische Bevölkerung, die mit der Wahl der PiS primär ihren Protest gegen die zuvor amtierenden Postkommunisten kundgetan hatte, vertraute auf das Versprechen Jarosław Kaczyńskis, nicht für das Amt des Premierministers zur Verfügung zu stehen. Dahinter versteckte sich allerdings das politische Kalkül Jarosław Kaczyńskis, die Kandidatur seines Zwillingsbruders Lech Kaczyński bei der drei Wochen später anstehenden Wahl zum Staatspräsidenten nicht zu gefährden. Schließlich war nicht zu erwarten war, dass das polnische Volk ein Geschwisterpaar in die beiden höchsten Staatsämter wählen würde.

Nach der Wahl Lech Kaczyńkis zum Präsidenten rächte sich jedoch das Vertrauen der Bevölkerung in das Wahlversprechen seines Bruders. In Ermangelung bereitwilliger Koalitionspartner hatte Jarosław Kaczyński nach einer mehrmonatigen Minderheitsregierung unter Kazimierz Marcinkiewicz im Mai 2006 den Regierungsvorsitz übernommen und die bis zu diesem Zeitpunkt politisch isolierte LPR und die Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) in die Regierung geholt. Der damit verbundene Rechtsruck in der polnischen Politik stieß zwar laut Meinungsumfragen in der polnischen Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung, schmiedete die Koalitionspartner jedoch nur noch enger aneinander.

Widerstand der polnischen Bevölkerung

Der Widerstand der polnischen Bevölkerung ließ daher nicht lange auf sich warten. Bereits im Juni 2006 wurden erste Bündnisse gegen die Regierung geschlossen, Protestaktionen bzw. Demonstrationen begannen. Regelmäßige Kundgebungen von Schülern, Studenten, Lehrern und zuletzt auch Gewerkschaften begleiten seither die Regierung im In- und Ausland, konnten bislang jedoch keinen politischen Wandel herbeiführen. Selbst die von den mehrheitlich regierungskritisch berichtenden Medien aufgedeckten Skandale, in die PiS, LPR und Samoobrona involviert waren, blieben ohne Folgen, nicht zuletzt, da die Regierungsparteien nach wie vor auf ein Mindestmaß an Rückhalt in der Bevölkerung zählen können. In diesem Zusammenhang hat sich die Allianz der Regierung mit dem rechtskatholischen Sender Radio Maryja bewährt, der die Mobilisierung der eigenen Reihen (etwa in Form von Gegendemonstrationen) gewährleistet.

Angesichts der Hartnäckigkeit und Ausdauer der Regierung, die selbst die heftigen und umfassenden Attacken von Bevölkerung und Medien nicht zu Fall bringen konnten, verlagert sich die Kritik entweder ins Internet (z.B. www.giertych-stop.kom.pl, www.spieprzajdziadu.com) oder wendet die Waffe der Ironisierung an. Auf mit regierungskritischen Inhalten bedruckte T-Shirts, die in Polen besonders in der jungen Bevölkerung eine bemerkenswerte Verbreitung finden, sind Karikaturen der Kaczyński-Brüder als Enten (nach dem polnischen Wort „kaczka“ für Ente) oder Slogans wie „Wir haben die drei polnischen Teilungen überlebt, also werden wir auch die Enteriche überstehen“ („Przeżyliśmy trzy zabory, przeżyjemy i kaczory“) zu sehen. Selbst wenn der sofortige Sturz der Regierung auf diese Weise nicht gelingen sollte, so nehmen sie doch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das politische Klima des Landes und geben Anlass zur Hoffnung, dass die Mitglieder der gegenwärtigen Rechtsregierung in Zukunft wenig zu lachen haben werden.

< zurück